Berdorf – Klettern in der kleinen luxemburgischen Schweiz
Manchmal muss man kurzentschlossen handeln. Mitte Juni, der Wetterbericht verspricht hochsommerliche Temperaturen, ich habe mir ein paar Tage frei genommen und André mein Kletterpartner hat ebenfalls frei. Also überlegen wir, wo könnte es diesmal hin gehen. Wir erkunden gerne neue Klettergebiete und wollen nicht unbedingt tagelang im Auto sitzen. Nach kurzer Recherche ist die Wahl schnell getroffen. Es geht nach Luxemburg – Berdorf in der kleinen luxemburgischen Schweiz genauer gesagt.
Freitag morgen – Sachen packen. Wir werden ein Wochenende unterwegs sein. Wir wollen Klettern, Wandern, im Zelt übernachten und uns selber verpflegen. An was man da alles Denken muss! Zum Glück habe ich mir schon vor einiger Zeit einige Checklisten zusammen gestellt. (Einige findet ihr als Packlisten übrigens hier).
Als André bei mir ankommt stehe ich mit Sack und Pack bereit. Alles im Auto verstaut und los geht´s. Von Köln fahren wir etwa zwei Stunden bis zu unserem Ziel, dem Campingplatz Martbusch in Berdorf/ Luxemburg.
Wir checken ein, bauen das Zelt auf und dann kann es uns nicht mehr halten. Auf dem Weg habe ich bereits im Kletterführer geblättert und überlegt wo hin es uns als erstes hin treibt. Wir checken noch mal unser Material, füllen die Wasserflaschen und los geht´s.
Vom Campingplatz biegen wir links ab, laufen 100 Meter an einer Schule und einem Sportplatz vorbei und tauchen in dichten Wald ein. Ein guter Forst-, bzw. Wanderweg führt etwa 700m durch den Wald bis es links in einene tief eingeschnittene, moosbewachsene Schlucht abknickt. Durch mystisch anmutende Umgebung steigt man über steile Stufen und dicke Holzbohlen immer tiefer in die Schlucht. Links und rechts kann man durch das dichte Moos schon deutlich die Sandsteinfelsen erkennen.
Nach weiteren 500 m stehen wir mitten im Herzen der luxemburgischen Kletterszene. Gut 150 Routen in den Schwierigkeitsgraden 3 bis 8c (französische Wertung) verteilen sich auf 16 Sektoren. Die Sektoren sind über einen schmalen Fußweg, der teilweise leichte Kletterei erfordert, miteinander verbunden und erstrecken sich über ca. einen Kilometer im Wald. Die Felsen sind bis zu 30m hoch. Ganz schön gewaltig, wenn man in direkt davor steht.
Wir sind alleine und können uns in Ruhe das gesamte Gebiet anschauen. So viel schöne Sandsteinfelsen. Da fällt die Wahl wirklich schwer. Wir entscheiden uns für Sektor 4 – „Scheffelchen“.
Zum Einklettern beziehungsweise Warmmachen steigen wir in die Route „Face Nord“ (1) ein. Die mit dem französischen Schwierigkeitsgrad 4a (UIAA 5) bewertete Route lasst sich ohne größere Schwierigkeiten vorsteigen. André und ich steigen sie beide vor und merken, dass das direkt wieder ganz gut funktioniert. Der Fels ist wie für Sandstein üblich sehr griffig und das Gebiet ist eines der am besten abgesicherten Gebiete die ich kenne. Bohrhaken sind in einem maximalen Abstand von ca 1,5m angebracht. In Schlüsselstellen sind die Abstände sogar kürzer.
Obwohl wir eigentlich „nur mal eben schauen“ wollten lässt uns der Fels nicht mehr los. Direkt im Anschluss an „Face Nord“ klettern wir noch „Arete Ouest“ (2) und „L´Oblique“ (3) beide ebenfalls 4a bewertet sowie „Petit Capucini“ (4) welche 5c+ bewertet ist (UIAA 6/6+). Nach über vier Stunden wirklich schöner Kletterei wechseln wir den Sektor.
Der Sektor „S.I.P.“ hat es uns angetan. Wir steigen in „Pilier Familial“ (2) ein. Die Route ist als 3b bewertet und lässt sich zügig durchsteigen. Oben angekommen hängen wir das Seil in den Umlenker von „Mort aux Cons“ (1) um. Die Route ist mit 6a+ (UIAA 7-) bewertet. Wir haben uns vorgenommen diese Route auszuprobieren. 6a+ ist durchaus innerhalb unseres Leistungsbereichs, allerdings beißen wir uns die Zähne an der Schlüsselstelle aus (X).
Die Route startet an einigermaßen gut greifbaren Waben, auf Höhe des zweiten Hakens muss man links in einen Seitgriff schwingen. Ich brauche viel dynamische Energie um den Griff überhaupt zu erreichen. Anschließend verlängert die rechte Hand über zwei Wabengriffe zu einer winzigen Leiste – rechten Fuß hoch ansetzen – Leiste doppeln und mit rechts noch weiter in ein zwei-Finger-Loch. Der Rest der Route verläuft entlang der Risses und anschließend über eine recht glatte Platte mit einigen Fingelöchen. Kraftraubend, aber machbar. Wir schaffen es beide nicht, die Route komplett, ohne Fehler zu durchsteigen.
Irgendwann geben wir auf und machen nach über fünfeinhalb Stunden Schluss. Wir gehen zurück zum Campingplatz. Kochen und ein wohlverdientes Bier. Mit Sonnenuntergang liegen wir im Zelt. Der nächste Tag soll ja wieder erfolgreich werden.
Die Nacht von Freitag und Samstag ist wirklich nass. Luxemburg und der gesamte Westen Deutschlands versinkt in einem Gewitter. Gott sei Dank hält unser Zelt – wir bleiben Trocken. Der viele Regen sorgt aber auch dafür, dass die Felsen erst einmal nass sind. Wir nutzen die Zeit und begeben uns auf einen Wanderweg rund um Berdorf – Es gibt hier in der Region Mullerthal viele, wirklich gut markierte, verschieden gut ausgebaute Wanderwege. Hierzu findet Ihr hier einen ausführlichen Bericht. Außerdem kann ich meinen neuen Haglöfs Oxo GT Wanderschuh mal auf Herz und Nieren Testen.
Der Wanderweg bringt uns auf dem Rückweg zum Campingplatz aber auch wieder durch das Klettergebiet. Wir sind fast ein wenig geschockt. Es ist so viel an den Felsen los, wir fühlen uns fast an die Kletterhalle erinnert. Also erstmal zurück zum Campingplatz, ein kleiner Snack und dann ein Päuschen in der Sonne.
Gegen 16 Uhr hält es uns aber nicht mehr auf dem Platz. Also eine Jacke in den Rucksack (wer weiß wie lange wir bleiben…) und los gehts. Wir gehen direkt zu „Mort aux Cons“, steigen wieder über die Nachbarroute ein und siehe da. Es klappt deutlich besser und wir schaffen es nach einigen Versuchen die Route zu durchsteigen. Wir sind uns allerdings sicher, dass die Route im Kletterführer deutlich zu leicht bewertet ist. Nach zweieinhalb Stunden ist die Luft aber auch raus. Wir lassen den Tag auf dem Campingplatz ausklingen. Wir haben ja trotzdem einiges geschafft.
Sonntag morgen hält es uns nicht im Zelt. Um acht Uhr sind wir auf den Beinen. Wir wollen zeitig am Fels sein um die Wahl zu haben wo es für uns weiter geht. Also Zelt abbauen, in die Sonne legen zum trocknen (es sind um 9 Uhr schon 22 Grad im Schatten und es wird merklich wärmer). Um Halb zehn haben wir ausgecheckt und sind abmarschbereit. Um kurz vor zehn stehen wir im Tal. Leider geht unser Plan nicht ganz auf. Es ist schon mehr los als gedacht. Wir finden aber doch eine Stelle die ganz vielversprechend aussieht.
In Sektor „Takla Makan“ hat es uns eine 6a+ bewertete Route angetan („Fugo“(2)). Aus der Erfahrung heraus steige ich die danebenliegende, 4b bewertete „Petite Fissure“ (1) vor um das Seil direkt in den „Hugo“-Umlenker einzuhängen. Die Route liegt mir und ich steige sie direkt durch. André steigt nach und geht auf dem Weg nach unten seinem Putztrieb nach. Er putzt gründlich alle Griffe und Tritte in „Fugo“, sodass ich direkt los legen kann. Auch diese Route liegt mir sehr und ich flashe sie (steige bei ersten Versuch ohne Fehler durch). André schafft es ebenfalls im zweiten Anlauf. Wir wiederholen die Durchsteigung noch einmal. Die Route lässt sich gut durchklettern, ist aber sehr kraftraubend. Anschließend entscheiden wir den Heimweg anzutreten. Es wird einfach zu warm im Tal.
Fazit:
Die Fahrt nach Berdorf lohnt sich in jedem Fall. Der Fels ist griffig und für fast alle Leistungsgruppen gibt es Routen. Allerdings würden wir in Zukunft versuchen einen Besuch in die Woche zu legen. Am Wochenende war es einfach zu voll.
Wichtig:
Das Klettern in Berdorf ist nur mit einem gültigen Kletterpass/ Permit gestattet. Ein Formblatt um das Ticket zu beantragen gibt es hier. Das Formblatt muss ausgefüllt mindestens 15 Tage vor dem gewünschten Termin an permis.escalade@mev.etat.lu gesendet werden. Der Kletterschein kommt dann per Post.
Nützliches:
- Camping Martbusch in Berdorf. Super Campingplatz, zehn Gehminuten vom Kletterspot entfernt. Sauber, günstig, nur zu empfehlen.
- Wegbeschreibung bei GoogleMaps
- climbing.lu Die Internetseite zum Thema Klettern in Luxemburg. Mit allen News, Forum, Routendatenbank und Links
- Casper´s Climbing Shop in Luxemburg Stadt. Hier gibt es alles was ihr zu Hause vergessen habt. Außerdem beantwortet Casper gerne Fragen zum Klettern in Luxemburg. Hier bekommt man (auch online) den Kletterführer.
8 Comments
martin
Klingt nach feinen kleinen Klettegebiet 🙂 ! Coole Pics, netter Bericht! Lg Martin
dirk
Vielen dank! Und ja, es ist wirklich sehr schön dort. Ich fahre sicher wieder hin!
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Sebastian Kuhn
Wow, eine tolle Beschreibung und großartige Bilder – das macht Lust, bald (!) auch mal zum Klettern nach Berdorf zu fahren..inkl Nachtlager auf dem Camping Martbusch.
Tschö, Sebastian
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Mario
Besteht dort auch irgendwo die Möglicheit TopRope zu klettern= Danke für eien kurze RÜckmeldung
mariodejaneiro79@gmx.de
balotelli
nein, ich glaube nicht. entweder du musst vorsteigen oder in eine nebenroute (wie oben beschrieben) einsteigen, haengst ein toprope rein und machst es dann
Herb
Tja, das waren 1974 schon andere, aber auch abenteuerliche Zeiten, wo wir das „Toit du monde“ noch mit Strickleitern kletterten, oder das Ecureuil mit dicken Bollerschuhen.
Dafür gelangen dann unserer Clique große Fahrten, wie Zmuttgrat am Matterhorn, Brenva und Peuterey am Montblanc, Ortler N-Wand,.Walker an den Jorasses, Badile NO, alle Zinnennordwände, die Heckmaier am Eiger und, und , und . . .
Aber das ist heute ja nicht mehr in. Cool & Geil muss es ja heute sein.
Der Drache ist gestorben
Herbert Kremer, 75 years, old and still alive