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Via Classica – In 15 Seillängen auf die Fleischbank (Wilder Kaiser)

Der Wilde Kaiser an der Grenze zwischen Bayern und Tirol bietet für jeden (Berg-) Sportenthusiasten eine große Fülle von Betätigungsmöglichkeiten. Ob Wandern, Mountainbiking, Paragliding, Wingsuiten oder Klettern jeder kommt auf seine Kosten. Eines der bekanntesten Klettergebiete der Nordalpen, der Schleierwasserfall hatte mich schon im letzten Jahr in seinen Bann gezogen. Der 60 Meter hohe Felsendom strahlt zwar eine tolle Aura aus, diesmal wollten wir aber mehr als eine Seillänge am Stück klettern. Bei der Vorbereitung der Tour zum „Schleier“ war ich bereits im letzten Jahr auf die Via Classica gestoßen. In 15 moderaten Seillängen auf die Fleischbank also.

Die Fleischbank
Die Fleischbank

Nach unserer Zugspitzüberschreitung im September war das Wetter uns so gnädig, dass wir keine andere Wahl hatten. Jetzt oder nie. Das Zelt in Garmisch abgebaut, Auto gepackt und gemütlich durchs wunderschöne Alpenpanorama erstmal nach Kufstein. Eis essen, Andre kauft sich den vergessenen Hüttenschlafsack und weiter in die Griesenau. Den Parkplatz an der Griesener Alm auf 1024m ü.NN erreichen wir von der B176 über eine Mautstraße. Wir parken unser Auto, checken noch mal die Rucksäcke ob wir auch alles haben was wir brauchen. Wir wollen beide nicht mehr tragen als wir müssen. Die Zugspitze steckt uns halt doch noch in den Knochen. Direkt neben der Alm finden wir zügig den Weg zum Stripsenjochhaus. Durch schnell lichter werdenden Wald geht es zügig bergauf. Bereits nach etwa zwanzig Minuten passieren wir die Baumgrenze.

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Schleppender Aufstieg zum Stripsenjochhaus

Der Weg wird immer schmaler und schlängelt sich im Zick-Zack zügig hinauf zum Stripsenjochhaus auf 1577m ü.NN. Nach etwas über einer Stunde erreichen wir glücklich die Hütte. Ein Tag Ruhe wäre vielleicht doch nicht die schlechteste Idee gewesen. Allerdings entschädigt das Radler im Sonnenuntergang auf der Terrasse für vieles.

Nach den unruhigen Nächten im Zelt gönnen wir uns ein Zimmer auf der Hütte und verschwinden direkt nach einem hervorragendem Abendessen in selbigen. Immerhin klingelt um sieben Uhr auch schon wieder der Wecker.

Ein Königreich für ein Bett!
Ein Königreich für ein Bett!

Um kurz nach sieben sind wir die ersten beim Frühstück. Es ist eh nicht besonders viel los auf der Hütte. Einer der Vorteile, wenn man Mitte September, abseits von allen Ferien in den Bergen unterwegs ist. Wir stärken uns und treten um kurz vor acht Uhr in die aufgehende Sonne. Wir sehen direkt: Uns erwartet echtes Kaiserwetter. Toll am Wilden Kaiser. Auf dem Übergang zwischen Stripsenköpfel und Totenkirchel, also dort wo sich das Stripsenjochhaus befindet geht aber um die Uhrzeit noch ein empfindlich kalter Wind. Gut, dass wir bereits nach einigen Höhenmetern Abstieg im Windschatten und in der Sonne laufen. Das bringt Energie. Gute zweihundert Höhenmeter unterhalb des Stripsenjochs verlassen wir den Hauptweg und laufen über ein Geröllfeld auf die imposante Fleischbank zu. Nach einigem Suchen finden wir den Einstieg. Im Schatten der Wand legen wir unsere Klettergurte und Helme an, bereiten Expressen, Klemmkeile, Friends und Seile vor, begutachten noch mal das hervorragende Topo von bergsteigen.com und ich steige in die erste Seillänge ein. Der Fels ist extrem Griffig und das Klettern fällt mir sehr leicht. Die Haken sind in Abständen von ca drei bis fünf Metern gebohrt. Bei Schwierigkeiten um den 4. Grad (UIAA) verzichte ich auf Zwischensicherungen und klettere zügig durch. Nach etwa einer Stunde angenehmer Kletterei kommen wir zu einer Schlüsselstelle. Der große, steile Kamin ist zwar nur mit 5 bewertet, wir sind uns aber einig, da wurde deutlich zu leicht bewertet. Wir können gerade noch so heftigem Steinschlag ausweichen, welchen eine Seilschaft über uns losgetreten hat und klettern weiter.

Nach weiteren vier Seillängen erreichen wir das Erste von zwei Grasterrassen. Es ist immer wieder faszinierend, wie große relativ flache Bereiche sich in einer Wand verstecken können.

Erste Grasterrasse
Erste Grasterrasse

Wir können die knapp 50m bis zur nächsten Seillänge problemlos ungesichert laufen und in Ruhe eine Brotzeit einlegen. Nach der Stärkung steigen wir in die zweite Hälfte der Tour ein. Sieben Seillängen haben wir immerhin noch vor uns. Keine davon bereitet uns größere Schwierigkeiten. Wir können alle zügig durchsteigen und erreichen gegen 14 Uhr den Ausstieg. Dort machen wir eine zweite Brotzeit und genießen den Ausblick auf Stripsenjochhaus und die umliegenden Berge.

Ausblick vom Ausstieg
Ausblick vom Ausstieg

Jetzt erst merkt man so richtig, dass wir 650 Klettermeter, beziehungsweise 700 Höhenmeter hinter uns haben. Mit der anderen Seilschaft entscheiden wir nicht über den Gipfel abzusteigen, wie im Topo beschrieben sondern gleich zum Nordgrad abzusteigen. Der Abstieg gestaltet sich etwas schwieriger als Gedacht. Viele Stellen müssen wir im unteren dritten Grad ungesichert abklettern, oft ist nicht ganz klar wo wir lang müssen. Zwar gibt es vereinzelt Markierungen, einige Steinmännchen aber ganz geheuer ist es uns nicht. Es kommt wie es kommen muss und wir laufen zielstrebig an einer von drei Abseilstellen vorbei. Erst als wir überhaupt nicht mehr weiter kommen erkennen wir unseren Fehler und klettern zurück. Nach etwa einer halben Stunde finden wir aber doch die Abseilstelle. Von hier an geht es relativ schnell bis zum Eller-Weg, welcher uns zurück zum Geröllfeld und schließlich zum Stripsenjochhaus führt. Nach drei Stunden Abstieg und den folgenden 200 Höhenmetern zurück zur Hütte stehen wir wieder auf der Terrasse des Stripsenjochhauses. Wieder im Sonnenuntergang. Das Abendessen hat für uns noch Vorrang vor der Dusche. An die Dusche folgt noch ein Kaffee und ein Radler und um neun Uhr fallen wir völlig erledigt aber glücklich ins Bett.

Fazit:
Die erste wirklich große Mehrseillängenroute im Alpinstil war großartig. Absolute Genusskletterei in wundervoller Umgebung. Es hat Lust auf mehr gemacht. Schade, dass die draussen-Kletterei jetzt wohl erstmal Winterpause hat. Gelernt habe ich, dass in Zukunft in der Vorbereitung auch noch mehr Fokus auf den Abstieg gelegt werden muss. So etwas kann auch irgendwann mal nicht so harmlos ausgehen!

Lob:
Das Team vom Stripsenjochhaus hat sich eine eigene Erwähnung verdient. Selten habe ich einen so hervorragenden Service erlebt. Danke dafür!

Tip:
Wer nicht weiß, was alles in den Rucksack gehört wird hier fündig!

2 Comments

  • Karl Wiesner

    Danke für diesen netten Bericht.
    Ihr schreibt von einem schweren 5er Kamin. Gibt es in diesem gebohrte Zwischensicherungen?
    Bezüglich des Hüttenteams kann ich mir nur anschließen. Die sind wirklich sehr nett und es funktioniert alles bestens.

    liebe Grüße
    Karl

    • dirk

      Hallo Karl,
      Vielen Dank für das Lob.
      Schwer ist bei einer 5 sicher relativ. Der Kamin hat wenn ich mich recht erinnere zwei oder drei Zwischensicherungen. Schwer würde es in erster Linie, weil wir zwischendurch dem Steinschlag der Seilschaft über uns ausweichen mussten. Keine so schöne Erfahrung.
      Viele Grüße
      Dirk

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